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Samstag, 31. Juli 2010

"Gibt es imer lekeres essen? Ja! Oder doch nicht"

Hmm. Räusper. Eins-zwo. Eins-zwo. Also. Bin gerade online weil ich nich schlafen kann. Hat ne geschlagene Stunde gedauert bis ich drin war. Incl. Aufhängen (also, der Rechner) und Einrichten der Internet Daily Flat von O2. So. Werbeblock is' durch.

Hat sich viel getan aber nicht wirklich Erzählenswertes. Ich gewöhne mich ans weniger Essen nur sehr zähflüssig (was ja auch komisch gewesen wäre, wenn es anders wäre). Gestern Abend gab es per Eigeninitiative 3 grosse Löffel Rührei und ne Scheibe Knäckebrot mit Käse. Heisshunger. Vorher und nachher. Essensprotokolle muss ich auch schreiben. Mit Gedanken vor ("Hunger") und nach dem Essen (Hungaaaaa!). Schreib dann halt sowas rein wie "Gedanken über Kur gemacht und gelesen" oder "gute Gespräche bei Tisch geführt". Klasse, nich'? Gestern mussten wir noch einen etwa 20 seitigen Fragebogen ausfüllen. "Aufnahmediagnostik". Wird eingescannt und EDV technisch ausgewertet. Was die alle von einem wissen wollen. Apropos "die":

Ich habe einen scheinbar netten Kerl kennengelernt, den ich, aus Datenschutzgründen mal neutral 'Marius' nenne (weil ich keinen in meinem Bekanntenkreis habe, der so heisst). Er zählt 37 Lenze und leidet unter vergleichsweise weniger Übergewicht (42 kg) weshalb er aber gar nicht hierher gekommen ist. Sein Problem ist Nervosität und die wird bestimmt durch: Paranoia. So in etwa verlief unser erstes Gespräch vor dem Fahrstuhl:

[...]
er: "Ich bin gespannt, wann sie uns aus diesem Bunker rauslassen. Ich glaube, dass die uns ständig beobachten. Weil, die... (eine Frau geht vorbei) Pssst. Später. (kurze Pause) Weisst Du, ob die nicht von denen ist? Sobald Du mal länger als 30 Sekunden irgendwo stehst: schwupps, kommt jemand vorbei und sieht nach, was los ist."
ich: aber, die sah ja nun eindeutig wie ne Patientin aus. Mit Therapiebuch in der Hand.
er: Ha. Das ist die Methode. Aussehen wie wir. Aber (jemand geht vorbei, Pause) psst. Später.
(die Fahrstuhtür geht auf und wir rein. Ich frage was er noch sagen wollte. Er hält sich aber den Finger auf den Mund und zischt leise "später". Die Tür geht auf, wir gehen raus)
er: ich bin mir nicht sicher, ob die Fahrstühle aus angeblich medizinischen Gründen nicht auch abgehört werden. Die 1000 Fragebögen, dass Psychologin und Ärztin komplett denselben Wissensstand über Dich haben. (mehrere Personen gehen, wie wir, zum Speisesaal). Psst. Später. ....

Ich muss unweigerlich an den "Element of Crime" Song 'Finger weg von meiner Paranoia' denken. Auszug:
Warum hält der Zeitungsmann die Finger so gekrümmt
Wenn er mir die Zigarettenschachtel gibt
Und wie viele seiner Witze macht er immer nur bei mir
Was weiß er, was ich nicht weiß,
und was gibt man ihm dafür dass er mich pünktlich jeden Morgen deprimiert,
sag dass ich verrückt bin und ich schwör dir,
du kriegst eine geschmiert


Mit ihm war ich dann gestern Abend an der SCHÄFERWARTE, einen Aussichtspunkt, der nach schwerem Gekraxel erreicht wurde. 2 Stunden. Incl. Verlaufen im Weinberg. Ich dachte, das wär's. Ich war total am Ende. Schön, dass er sich nicht beobachtet fühlte. Und beim vielen Schnaufen kam er auch kaum zum Reden. Geht doch. Schweissgebadet (wie ich) sprach er erst zu Beginn eines dunklen Hohlweges: "durch diese hohle Gasse muss er kommen..." Schon wieder. Observation im Wald. Bin gespannt wer da kommt. Kommt aber keiner. Ich stapfe weiter bergauf. Zum Fluchen fehlt mir die Kraft, während er den Wilhelm-Tell weiter rezitiert. Der Ausblick war es aber dann wert. Ich habe leider versäumt den Fotoapparat mitzunehmen.
Rückweg bergab aber trotzdem platt. Danach im Speisesaal den Sprudelkran leergesoffen.

So. Halb 6. Bis hierhin. Ich leg mich nochmal schlafen, bevor mein Weckdienst (Petra) anruft. Die Telefone sind übrigens erst ab 7 Uhr freigeschaltet; vorher anrufen unmöglich. Schlecht, wenn der Termin um 7 Uhr ist. Werde im Laufe des Tages hier an dieser Stelle weiterschreiben.

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So. Bin wieder da. Schnell schnell, bevor die Day-Flat abläuft. War ein schöner, entspannter Tag. Auch Marius wird locker. Regt sich zwar tierisch über unser System in Deutschland auf und überhaupt über alles ist aber ein Menschenfreund. Eigentlich Lehrer, aber er konnte sich nicht einkriegen, wenn er sich zur Tafel rumgedreht hat; weil "die Kiddies hinter mir nur Fratzen machen. Ich konnte sie regelrecht riechen und hören. Schüler sind Monster die mich wahnsinnig machen." Schlecht, für den Lehrberuf. Vielleicht hilft die Reha ja. Zuletzt hat er an einer Uni als Lehrassistent o.s.ä. gearbeitet.

Heute Vormittag sind wir in die Fussgängerzone gewandert. Der Weg führte uns durch wahrhaft schön angelegte, absolut sehenswerte Kurparkanlagen. Wie geschaffen für einen Rentnerurlaub. Doch ich gebe zu: ich find's auch schön. So keuchten wir auch an einem Tennisplatz vorbei bei dem ich für einen kurzen Moment verharrte und einem Päärchen (?) beim Tock ..... Plock .... Tock ..... Plock zusah. Jäh beendet durch einen krachenden Trompetenkäfer den Marius unbeeindruckt im Vorbeigehen zum Besten gab. Die Dame drehte sich rum und nur ich steh noch am Zaun. Für den Rest ihres Lebens wird sie solchen Sound mit meinem Gesicht assoziieren. Irgendwie zieh ich solche Leute wie Marius an. Zur Strafe besichtigte ich gegen Marius' Willen 20 Minuten die ev. Kirche am Ort. Wirklich sehr beeindruckend. Sehr schön. "Sowas können nur Protestanten. Weil wir die besseren Christen sind." sag ich, um ihn provozieren. So. Aggression abgebaut. Werde morgen früh mal den Gottesdienst besuchen und Gott um Verzeihung bitten.

Heut' ging es uns gut. Gab Kuchen und Bockwurst - also nicht gleichzeitig. Eins zu Mittag, eins zum Kaffee. Ausnahmsweise. Abends noch ne Bockwurst. Sonst nix. War ein Deal. Statt Salat und belegtem Brötchen 'ne Wurst. Die Kontakte nehmen zu. Teils nett, teils informativ. Auch nervig. Patientin: "Is' ja witzig. Gestern hatt'ste nen blaues T-Shirt an. Heut ein Rotes. Ich hab auch ein Rotes und ein Blaues dabei!". Am Liebsten hätte ich ihr ein "mach das Licht aus wenn Du gehst" entgegengehalten aber ich lächele freundlich und sage, "dass ich noch mehr Farben habe und die in den kommenden 6 Wochen testen werde."

Und sonst? Den nächsten Blog gibt's in etwa 3 Tagen; Petra hat mir den Wecker geschickt! Tataaaa. Ab morgen bin ich ein freier Mensch; eine 29-jährige Mitpatientin wurde von ihrem Therapeuthen daheim aufgrund ihres ernsthaften Blickes und den streng nach hinten gekämmten Haaren mit "sie wirken ein bisschen wie ne Nazi Frau auf mich" zur Frisuränderung überredet, ich hab heut' 2 Liter Kaffee getrunken, mir springen im Moment die Pizzerien nur so ins Auge (es müssen gefühlte 40 davon in der Fussgängerzone sein), ich hab mir gestern 'nen fetten Wolf gelaufen, der Soundtrack zum heutigen Blog ist eine CD von Element of Crime und ich freute mich heute über die Postkarte von Stella in der sie mich u.a fragt "Gibt es imer lekeres essen? Ja! Oder doch nicht? Naja wider zum Gesprächstemer." Genau dieses Ja oder doch nicht trifft meinen Gemütszustand bestens. Der Verstand sagt: Ja. Die innere Stimme 'doch nicht'. Es ist ein weiter Weg, der bis hierhin vielleicht lässiger klingen mag, als ich mich fühle. Denkt an mich. GOTT ist gross.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Erster Tag: HUNGER!

Erster Tag. Bin geschlaucht wie nach einem ausgiebigen Gartentag. Was gibt's zu berichten? Fangen wir bei Dienstag Abend an.
er (ich): "Petra. Soll ich meinen Wecker schon einpacken oder noch nicht?"
sie: "Draussen lassen. Wenn Du so früh aufstehen magst; ich nicht. Mein Wecker geht erst um 6 Uhr fünfzehn los. "
er: "Und wenn wir ihn vergessen morgen früh einzupacken?"
sie: "Denk halt dran. Ansonstem hast Du mich."
er: "OK!" ...und tut wie ihm aufgetragen.

Bad Dürkheim, Mittwoch gegen 15 Uhr:
er (ich): "Wir haben den Wecker vergessen!"
sie und er: "............"
Also. Ab durch die "Stadt" und zwischen ersten Gesprächen mit Psychologen und Ärzten, Therapeuthen und "Paten" (die einem das Haus erklären) nach und durch den Ort um einen Wecker zu kaufen.

Was für ein erbärmlicher Ort, an dem es nicht mal einen stinknormalen Rappel- oder sonstwas Wecker gibt. Erbärmlich. Beim Wort "Wecker" schaut uns die Verkäuferin im HIT an, als ob wir sie nach der Formel zur Eulerschen Relation gefragt hätten. Nun. Morgen früh geht's um 6.30 Uhr raus aus dem Bett. Wie? Petra sagt, sie macht mir den Weckdienst. Und den Wecker wird sie mir auf dem Postweg zuschicken.

Übrigens: hat schon mal jemand 2 Adipositas Patienten (ich bin einer; das erklärt den Begriff von alleine) bei einer Hausbegehung beobachtet? Hau. Meine "Kur Patin" fragt mich halt, ob ich lieber den Fahrstuhl oder die Treppe nach oben nehmen möchte. Hmmmm, denk ich. "Nur keine Blöße geben!" und sage halt: "TREPPE. Natürlich. Für die paar Meter." "Ja, natürlich." erwidert die Patin. Tropfenderweise und etliche Stufen weiter oben möchte sie weiter erklären. Jappst aber stetig nach Luft was beim flüssigen Reden ungemein stört. Dann gibt sie den Ball geschickt weiter und fragt was ich noch so sehen möchte im Haus und was ich vielleicht vermiss und keuch keuch keuch...! Da lach ich und sage, dass sie ruhig erstmal Luft holen soll; so wie ich das auch schon seit ein paar Minuten mache. ;-) Tiefes Ein- und Ausatmen erfüllt das Treppenende. Jaja. Es ist schon nicht einfach mit 20 Kilo Übergewicht.

Zum Abschluss des Tages haben wir mit etwa 30 Patienten (nicht nur Adipositas Patienten; auch andere Krankheiten wie Ängste, Neurosen etc. werden hier behandelt) den zauberhaften Film "Benjamin Button" von David Fincher gesehen. Stark. Ein Film, der einem auch noch beim 4. mal Tränen in die Augen schieben kann.

Und sonst? Was sollte noch erwähnt werden? Dass es ungewohnt ist auf einem Laptop zu schreiben; dass eine Dame im Empfang Fickeisen heisst; dass Mannheim nur wenige km entfernt liegt und ich daher gerade die superbe CD "Wettsingen..." von den SÖHNEN MANNHEIMS höre, dass ich MOOOOOOOORDS HUNGER habe; dass ich Martin und Patrick fürIhre Hilfe beim Einrichten dieses Schleppis danke; ich mich über all die guten Wünsche im Vorfeld gefreut habe und ich hoffe, dass ich niemanden enttäusche, dass ich mich bei Christoph für das Kicker-Sonderheft vor der offiziellen Veröffentlichung bedanke (die Tabelle hängt schon ;-) ), dass meine Patin sich mit "Ich heisse Patricia und man dutzt sich hier" vorstellt und ich ihr darauf hin ein freundliches "Benninghaus" entgegenschmettere, ich gespannt bin, ob Petra mich morgen früh tatsächlich anruft und ob es überhaupt irgendeiner liest, was ich hier so schreib. ;-)

So. Ende. In Gedanken bei meiner kleinen Familie die übrigens trotz starkem Regens wohlbehalten zu Hause angekommen ist wünsche ich allen eine gute Nacht und bis zum nächsten mal. Danke GOTT für all die Chancen die ich immer wieder bekomme, obwohl ich diese schon so manches mal ungenutzt verstreichen liess. GOTT ist gross.

Sonntag, 25. Juli 2010

3 mal werde ich noch wach...


So. Jetzt. Wir kommen gerade vom fröhlichen und schönen Geburtstagsumtrunk und Grill meines Patenkindes Luki. Schöner Abend. Nette Leute. Schön, sich nach der WM und 64 stressigen Spielen mal wieder zu unterhalten.

Nun also. Es ist Sonntag, 25.07.10. Ca. 22.32 Uhr (wie gesagt: "circa"). Ich habe 2 Photos reingestellt: eines im Profil (von dem gute (?) Freunde behaupten, es sähe fürchterlich aus. OK. Gebongt. So soll es sein) und eines hier im 'daily Blog' ; ich hinter der Wand. Nach dem Mauer-Durchbruch.
Interessant wird es sein die Metamorphose zu bewerten die sich, hoffentlich, in den kommenden 6 Wochen während meiner Kur vollziehen wird. Naja. Etwas dick (Stichwort) aufgetragen. Aber vielleicht mein Wunsch nach Veränderung. Ich hoffe der Durchbruch (siehe das Foto im Blog; stellvertretend für den Begriff 'Durchbruch') wird gelingen.

Es sind nun also noch 3 Nächte im heimeligen Schlafgemach. Noch 3x zu Hause wach werden, noch ca. 6x zu Hause die Kloschüssel benutzen. Ich eröffne nun einfach mal offiziell diesen Blog, der mich und ein paar Interessierte über meinen Kurverlauf informieren soll. Mal sehen wohin das ausartet. Wo es endet. Letztlich dienen diese Zeilen dem Warm-up. So. Der Anfang ist gemacht. Der Durchbruch in puncto Blog-Eröffnung hat funktioniert.

Also. Bis dann, lieber Blog (einen ordentlichen Namen werde ich mir für meinen Blog noch überlegen. Ich finde, er hat ein Recht drauf ;-) ).